Reformation im O-Ton: Babylonische Gefangenschaft
Zugleich siehst du, wie riskant und geradezu falsch es ist, zu meinen, die Buße sei die „zweite Planke nach dem Schiffbruch“, und wie
verhängnisvoll der Irrtum ist zu glauben, die Sünde habe die Kraft der Taufe gebrochen und dieses Schiff sei leck geschlagen. Dieses eine Schiff, das
bleibt fest und unbezwinglich und zersplittert niemals irgendwelche Planken. Alle sind sie seine Passagiere auf der Fahrt zum Hafen des Heils, das in
der Wahrheit Gottes besteht, die in den Sakramenten ihre Verheißung ausspricht. Freilich geschieht es, dass viele leichtsinnig über Bord ins Meer
springen und so den Untergang finden; das sind die, welche den Glauben an die Verheißung aufgegeben haben und sich kopfüber in die Sünde
stürzen. Das Schiff selbst aber bleibt immer heil und hält unbeirrt Kurs! Und wenn einer gnadenhalber zum Schiff zurückkehren kann, dann wird ihn
keine Planke zum Leben befördern, sondern das kräftige Schiff selbst – ein Mensch, der zu Gottes fester und bleibender Verheißung durch den
Glauben zurückkehrt.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 259 und 261
Daher müssen wir uns in Acht nehmen vor denen, welche die Kraft der Taufe so schlapp und gering gemacht haben, dass sie behaupten, es werde in
ihr zwar die Gnade eingegossen, später jedoch fließe sie infolge der Sünde wieder heraus und dann müsse man auf einem anderen Weg zum Himmel
gelangen, gerade so, als sei die Taufe ganz hinfällig geworden. So darfst du nicht denken! Sondern du sollst wissen, dass die Bedeutung der Taufe
darin besteht, dass du durch sie stirbst und lebst, und dass du, sei es durch die Buße oder auf irgendeinem anderen Wege, nur zur Kraft der Taufe
zurückkehren kannst, um das aufs Neue zu tun, wozu du getauft bist und was deine Taufe bedeutete. Niemals wird die Taufe ungültig, solange du
nicht aus Verzweiflung gar nicht mehr zurückkehren willst zum Heil. Freilich von Zeit zu Zeit wird es möglich sein, dass du abkommst vom
Zeichen, aber deswegen ist das Zeichen noch nicht ungültig. So bist du ein Mal sakramental getauft worden, im Glauben jedoch musst du immer
wieder getauft werden, immer wieder heißt es zu sterben und zu leben.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 275
„Wer das glaubt und getauft wird, der wird selig werden.“ Diese Verheißung ist dem ganzen Gepränge an Werken, Gelübden, Mönchsregeln samt
allen menschlichen Neuerungen unvergleichlich vorzuziehen, hängt doch unsere ganze Seligkeit daran. Sie ist aber in dem Sinne zu beachten, dass
wir unseren Glauben an ihr üben, und gar keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass wir selig sind, nachdem wir getauft sind. Denn wenn dieser
Glaube nicht vorhanden ist oder nicht erworben wird, dann hilft die ganze Taufe nichts, dann schadet sie sogar, und das nicht nur dann, wenn sie
empfangen wird, sondern das ganze Leben lang danach.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 255
Kein einziges Gesetz darf auch nur mit einer Spur von Recht den Christen auferlegt werden, nicht von Menschen und nicht von Engeln, außer soweit
sie es wollen, denn wir sind frei von allem.
„Alles fügt sich den Auserwählten zum Guten.“
Von jenem Ruhm der Taufe und der Seligkeit christlicher Freiheit wissen allerdings nur noch sehr wenige etwas...
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 281
Wir sollten doch sein, wie die kleinen Kinder, die gerade getauft sind: Nichts müssen sie schaffen und werkeln, zu allem sind sie frei, sorglos und
selig allein durch die Herrlichkeit ihrer Taufe. Sind wir doch selbst kleine Kinder in Christus, die immer wieder getauft werden.
Den Kleinen kommt der fremde Glaube derer zu Hilfe, die sie zur Taufe tragen. Genauso nämlich wie Gottes Wort die Macht hat, sobald es nur
erklingt, selbst das Herz eines gottlosen Menschen ganz zu verwandeln, und das ist bestimmt nicht weniger taub und unempfänglich als irgendein
kleines Kind, so erfährt auch das kleine Kind durch das Gebet der Kirche, die es zur Taufe trägt und glaubt..., eine Verwandlung durch den
eingegossenen Glauben und wird dadurch rein und gänzlich neu.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 283
Ich für meinen Teil hätte nun gar nichts dagegen..., wenn jemand für sich privat... irgendein Gelübde ablegen wollte; ich will die Gelübde ja nicht
ganz verachten oder verdammen. Aber von hieraus eine öffentliche Lebensform zu begründen..., davon möchte ich entschieden abraten...
Erstens steht sie in nicht geringem Widerspruch zum christlichen Leben, handelt es sich doch beim Gelübde um eine... menschliche Satzung...,
wovon die Kirche durch die Taufe befreit ist. Denn ein Christ ist keinem Gesetz verpflichtet außer dem göttlichen. Zweitens gibt es dafür kein
Vorbild in der Schrift...
Bestimmte Werke wirkt der Geist nur in wenigen Menschen, diese dürfen auf keinen Fall zum Leitbild oder Lebensmodell erklärt werden.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 287ff
Hüte dich also davor, auf deine Reue zu vertrauen oder die Sündenvergebung mit deinem Schmerz zu verbinden. Nicht deshalb sieht Gott dich an,
sondern er tut es wegen des Glaubens, mit dem du seinem Droh- und Verheißungswort geglaubt hast und welcher solchen Schmerz bewirkt hat. Und
daher haben wir, was auch immer an Gutem in der Buße ist, nicht der Sorgfalt beim Aufzählen der Sünden zu verdanken, sondern der Wahrheit
Gottes und unserem Glauben. Alles andere sind Werke und Früchte, die von selbst folgen und keinen guten Menschen machen, sondern von einem
Menschen getan werden, der schon durch den Glauben an die Wahrheit Gottes gut geworden ist.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 303
Die heimliche Beichte aber, wie sie jetzt gebräuchlich ist, gefällt mir, auch wenn sie aus der Schrift nicht zu belegen ist, doch ausgezeichnet: Sie ist
nützlich, sogar notwendig, und ich möchte sie nicht missen, ja, ich freue mich, das wir sie in Christi Kirche haben, ist sie doch für die betrübten
Gewissen ein einzigartiges Heilmittel. Denn wenn wir unser Gewissen dem Bruder aufgedeckt und ihm das Böse, das dort lauerte, vertrauensvoll
offenbart haben, dann empfangen wir aus des Bruders Mund, aber von Gott gesprochen, das Wort, das uns tröstet.
Und indem wir es gläubig aufnehmen, so schaffen wir uns Frieden in der Barmherzigkeit Gottes, der zu uns spricht durch den Bruder.
Nur eines finde ich abscheulich, dass diese Beichte unter die Fuchtel und Geldschinderei der Päpste geraten ist.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 305
“Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.” Wer wollte aber all die Stellen durchgehen, wo er den Mühseligen, den Leidenden und
Gedemütigten Hilfe und Herrlichkeit verheißt? Ja, wer wollte alle Verheißungen Gottes aufzählen? Wo doch die Schrift insgesamt nichts anderes tut,
als uns zum Glauben zu reizen: Bald drängt sie uns dazu durch Gebote und Drohungen, bald lockt sie uns durch Verheißungen und Tröstungen. Alles
nämlich, was geschrieben steht, ist entweder Gebot oder Verheißung. Die Gebote demütigen die Hoffärtigen durch Forderung, die Verheißungen
richten die Demütigen auf durch Vergebung.
Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 371