Reformation im O-Ton: Gelesene Texte - Seite 2
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Viele Leute sagen: “Tut gute Werke, so werdet ihr gut.” Das bringen sie anderen Menschen bei. Ich sage: Sie denken falsch. Sie übersehen den
Innenmenschen. An dieser Stelle sind ihre Augen geschlossen. Das Wichtigste übersehen sie. Sie strengen sich zwar an. Aber werden sie dadurch
gute Menschen? Nein. Sie irren und bringen andere vom richtigen Weg ab.
Man muss tiefer nachdenken. Die wichtigste Frage ist: Wie wird ein Mensche fromm? Alles andere kommt erst hinterher. Gottes Wort macht, dass
Menschen glauben. Gott verspricht uns seine Liebe. Gott verändert so die Menschenherzen. So glauben Menschen an ihn. Danach kommen erst die
guten Werke. Gott hat ein warmes Herz. Er macht uns selig. Einfach so.
Martin Luther, Von der Freiheit, Auszüge in leichter Sprache, hg. von Christiane Kohler-Weiss, Gütersloh, 2016, S. 29
(Des Morgens, wenn du aufstehst, kannst du dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und sagen:)
Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.
(Darauf knieend oder stehend das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser. Willst du, so kannst du dies Gebet dazu sprechen:)
Ich danke dir, mein himmlischer Vater,
durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn,
daß du mich diese Nacht
vor allem Schaden und Gefahr behütet hast,
und bitte dich,
du wollest mich diesen Tag auch behüten
vor Sünden und allem Übel,
daß dir all mein Tun und Leben gefalle.
Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele
und alles in deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit mir,
daß der böse Feind keine Macht an mir finde.
(Alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen oder was dir deine Andacht eingibt.)
Luthers Morgensegen, Evangelisches Gesangbuch Nummer 815
Ein Christ soll gute Werke für sich selbst tun, aber auch für andere. Nun geht es um die Werke für andere Menschen. Ein Christ lebt für sich. Aber er
lebt auch mit anderen. er muss mit anderen reden. Er hat mit anderen zu tun.
Fromm und selig wird der Christenmensch von innen und vor Gott. Aber er soll für andere da sein. Er soll anderen helfen und ihnen nützlich sein.
Ein Christ hat durch den Glauben alles, was er braucht. Er liebt andere und zeigt ihnen das. Er wendet sich ihnen zu. Ganz freiwillig. Er dient ihnen.
So leben Christen miteinander.
An die Gemeinde in Philippi schreibt Paulus: Nehmt euch Jesus als Beispiel. Denkt wie er. Fühlt wie er. Er war Gott. Sein Leben war erfüllt. Dann
hat er auf das alles verzichtet. Er wurde Mensch. Er tat alles für uns. Er war ganz frei. Und ist trotzdem ein Knecht für uns geworden.”
Martin Luther, Von der Freiheit, Auszüge in leichter Sprache, hg. von Christiane Kohler-Weiss, Gütersloh, 2016, S. 30
Ich nenne das einen ‘fröhlichen Wechsel’. Das ist eine Art Tausch. Ein glücklicher Tausch für uns. Christus schenkt unserer Seele alle guten Dinge.
Alles Schöne, das man sich vorstellen kann. Die Seele verschenkt auch etwas. Auch sie tauscht. Sie überlässt Christus ihre Schuld. Wie geht das?
Es geht deshalb, weil Christus beides ist: Gott und Mensch. Böses ist ihm fremd. Er lebt ewig. Er kann alles tun. Er nimmt die Schuld von der
glaubenden Seele weg. Er holt das Böse von ihr weg zu sich hin. Wie passiert das? Das geschieht durch den Glauben. Im Glauben passiert der
fröhliche Wechsel. Das ist ein wunderbarer Tausch...
Wie wunderbar ist das! Was haben wir für ein Glück! Das ist eine fröhliche Hochzeit. Der reiche und schöne Bräutigam, der edle und starke Christus
heiratet die menschliche Seele. Dabei ist doch die Seele arm und hässlich. Andere reden schlecht von ihr und verachten sie. Aber bei Christus ist es
anders. Er nimmt ihr alles Böse ab. Er liebt sie. Er macht sie schön. Er schmückt sie. Die Sünde ist jetzt bei Christus. Er hat sie verschlungen und ins
Wasser versenkt. Eigentlich sind wir ja schuldig. Wir haben ein strenges Gericht verdient. Aber das Urteil ist für immer aufgehoben. Die Seele ist frei
von Strafe. Sie ist frei vom Tod und von der Sünde. Für immer.
Martin Luther, Von der Freiheit, Auszüge in leichter Sprache, hg. von Christiane Kohler-Weiss, Gütersloh, 2016, S. 19f
Das ist das erste Stück, daß wir aus dem heutigen Evangelium lernen sollen, nämlich dem Wort Gottes mit ganzem Herzen, ohne wanken, glauben.
Von solchem Glauben weiß der Papst nichts, lehrt auch nichts davon. Ihr aber sollt es wissen und können, daß ein christliches Herz sei, daß da Gottes
Wort von Vergebung der Sünden nicht allein hört, sondern auch fest glaubt, und daran nicht zweifelt, wenn es auch nichts davon sieht oder fühlt.
Denn dasselbe soll sich erst später finden und folgen. Wenn wir es fest geglaubt haben, wird sich dann die Erfahrung auch finden, daß wir sagen
werden: O wohl mir, daß ich geglaubt habe.
Auszug aus Luther’s Predigt zum Sonntag Estomihi
Da hatte Gott mit mir Erbarmen. Tag und Nacht war ich in tiefe Gedanken versunken, bis ich endlich den Zusammenhang der Worte beachtete... Da
fing ich an, die Gerechtigkeit Gottes als eine solche zu verstehen, durch welche der Gerechte durch Gottes Gabe lebt...
Durch das Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart, nämlich die passive, durch welche uns der barmherzige Gott durch den Glauben
rechtfertigt...
Da fühlte ich mich wie ganz und gar neu geboren, und durch offene Tore trat ich in das Paradies selbst ein. Da zeigte mir die ganze Schrift ein völlig
anderes Gesicht...
Mit so großem Hass, wie ich zuvor das Wort „Gerechtigkeit Gottes“ gehasst hatte, mit so großer Liebe hielt ich jetzt dieses Wort als das allerliebste
hoch.“
Martin Luther 1545, Vorrede zum ersten Band der Wittenberger Ausgabe der lateinischen Schriften, aus: Luther lesen, die zentralen Texte, bearbeitet
von Martin Jung, Göttingen, 2017, S. 19
Was ist Glaube?
Es ist nicht allein eine gewisse Erkenntnis, dadurch ich alles für wahr halte, was uns Gott in seinem Wort hat geoffenbart, sondern auch ein
herzliches Vertrauen, welches der Heilige Geist durchs Evangelium in mir wirkt, dass nicht allein andern, sondern auch mir Vergebung der Sünden,
ewige Gerechtigkeit und Seligkeit von Gott geschenkt ist, aus lauter Gnade, allein um des Verdienstes Christi willen.
Heidelberger Katechismus Frage 21
[…] man darf nicht die Buchstaben der latainischen Sprache fragen, wie man deutsch reden will, wie diese [päpstlichen] Esel tun, sondern man muss
die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den einfachen Mann auf dem Markt danach fragen und denselben auf das Maul schauen, wie sie
reden, und danach übersetzen. So verstehen sie es dann und merken, dass man deutsch mit ihnen redet. …
Zum Beispiel wenn Christus (Matthäus 12,34; Lukas 6,45) sagt: Ex abundantia cordis os loquitur. Wenn ich den [päpstlichen] Eseln folgen würde,
würden sie mir die Buchstaben vorlegen und so übersetzen: „Aus dem Überfluss des Herzens redet der Mund.“ Sage mir, ist das deutsch geredet?
Welcher Deutsche versteht so etwas? Was ist „Überfluss des Herzens“ für ein Ding? Das kann kein Deutscher sagen […] „Überfluss des Herzens“ ist
kein Deutsch, so wenig wie das Deutsch ist: „Überfluss des Hauses“, „Überfluss des Kachelofens“... Sondern so redet die Mutter im Haus und der
Mann auf der Straße: „Wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über.“ Das heißt, gut deutsch geredet! Darum habe ich mich bemüht, es aber
leider nicht immer erreicht und getroffen. Denn die latainischen Buchstaben hindern über alle Maßen sehr, gutes Deutsch zu reden.
Martin Luther, Ein Sendbrief vom Dolmetschen (1530), aus: Martin H. Jung, Luther lesen, die zentralen Texte, Göttingen, 2017, S. 95.