Reformation im O-Ton: Gelesene Texte - Seite 1 zur Seite 2
Wagen wir es also, die Augen zu öffnen, und lernen wir, mehr Acht zu haben auf das Wort als auf das Zeichen, mehr auf den Glauben als auf das Werk oder den Gebrauch des Zeichens, stets uns bewusst haltend, dass wo immer eine göttliche Verheißung ist, auch der Glaube erforderlich ist und dass beides so notwendig ist, dass keines ohne das andere wirksam sein kann. Man kann nämlich nicht glauben, wenn keine Verheißung da ist; und die Verheißung kann sich nicht halten, wenn sie nicht geglaubt wird. Erst wenn beide wechselseitig wirken, verschaffen sie den Sakramenten ihre wahre und ganz sichere Wirksamkeit. Nach einer Wirksamkeit des Sakramentes zu suchen abgesehen von Verheißung und Glaube heißt daher, sich vergeblich zu bemühen und sich die Verdammnis zuzuziehen. In diesem Sinne sagt Christus: „Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ Womit er uns zu verstehen gibt, dass der Glaube so sehr notwendig ist beim Sakrament, dass er uns sogar ohne das Sakrament selig machen kann. Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 271 Nun sieh, was soll dir dein Gott mehr tun, damit du den Tod willig annimmst, nicht fürchtest und überwindest? Er zeigt und gibt dir in Christus das Bild des Lebens, der Gnade und der Seligkeit, damit du dich nicht vor dem Bild des Todes, der Sünde und der Hölle entsetzest. Er legt weiter deinen Tod, deine Sünde und der Hölle auf seinen liebsten Sohn, überwindet sie für dich und macht sie unschädlich für dich. Er lässt obendrein deine Anfechtung durch den Tod, die Sünde und die Hölle auch über seinen Sohn gehen und lehrt dich, dich darin aufrechtzuerhalten und macht sie unschädlich und auch erträglich. Er gibt dir für das alles ein zuverlässiges Wahrzeichen, damit du ja nicht daran zweifelst: nämlich die heiligen Sakramente. Er befiehlt seinen Engeln, allen Heiligen und allen Kreaturen, dass sie mit ihm zusammen auf dich sehen, auf deine Seele Acht geben und sie in Empfang nehmen. Er gebietet, du sollst das von ihm erbitten und der Erhörung gewiss sein. Martin Luther, Sermon von der Bereitung zum Sterben (Absatz 20) „Die Nacht ist vergangen, der Tag herbeigekommen.“ Das ist aber so viel gesagt, als, unser Heil ist nahe. Denn der heilige Paulus meint mit dem Tag das Evangelium, welches ein Tag ist, der die Herzen oder Seelen erleuchet; darum, weil der Tag angebrochen ist, so ist unser Heil nahe bei uns; das ist Christus und seine Gnade, dem Abraham verheißen, ist jetzt aufgegangen, gepredigt in aller Welt, erleuchtet alle Menschen, weckt uns alle auf vom Schlaf und zeigt uns die rechten ewigen Güter, daß wir mit denselben zu schaffen haben sollen und an dem Tage ehrbar wandeln. Wiederum, unter Nacht muß man verstehen alle Lehre, die nicht das Evangelium ist; denn es ist keine heilwirkende Lehre außer dem Evangelio, es ist alles Nacht und Finsternis... „So laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ Gleichwie Christus die Sonne und das Evangelium der Tag ist, so ist der Glaube das Licht oder Sehen und Wachen an diesem Tage. Denn es hilft nichts, wenn die Sonne scheint und Tag macht, wenn die Augen für das Licht nicht empfänglich sind... Den Schlafenden … ist die Sonne und der Tag unnütz, denn sie haben davon kein Licht... Martin Luther, Kirchen-Postille zum 1. Advent Die Musik ist die beste Gottesgabe. Durch sie werden viele und große Anfechtungen verjagt. Musik ist der beste Trost für einen verstörten Menschen, auch wenn er nur ein wenig zu singen vermag. Martin Luther „Eure Lindigkeit laßt kund sein allen Menschen.“ Ich könnte nicht besser dieses Stück vorbilden, als durch zwei gute Freunde; wie du siehst, daß sich die gegen einander halten. Was thun sie aber? Es thut ein Jeder, was dem Andern gefällt, ein Jeder läßt nach, weicht, leidet, thut, läßt, was er sieht, dem Andern nützlich oder gefällig sein könnte, und doch Alles frei und ungezwungen. Also lenkt und schickt sich ein Jeder nach dem Andern und keiner zwingt den Andern auf sein Vornehmen; und so Einer dem Andern in sein Gut griffe, hält es der Andere ihm ... zu gut. Und kurz, da ist kein Gesetz, kein Recht, kein Zwang, keine Noth, sondern eitel Freiheit und Gunst, und geschehen doch alle Dinge so reichlich, [wie] man sonst in keinem Gesetz noch Zwang den hundertsten Theil fordern könnte. Die Starrköpfe aber und Ungelinden, die Niemand etwas zu gut halten, sondern Alles nach ihrem Kopf lenken und ausführen wollen, die machen alle Welt irre und sind Ursache aller Kriege und alles Jammers auf Erden... So hat denn Paulus in diesen kurzen Worten zusammengefaßt den ganzen christlichen Wandel gegen den Nächsten. Denn wer gelinde ist, der thut Jedermann wohl an Leib und Seele, mit Worten und Werken... Martin Luther Kirchenpostille, 4. Advent Es ist erschienen die Freundlichkeit … Gottes... (Titus, 3,4ff) Also hat sich Gott … uns gezeigt, ganz lieblich und freundlich, der allen Geschöpfen Gutes thut, alle unsere Untugenden uns zu gut hält und Niemand mit Strenge vertreibt. Denn es ist eitel Gnade da verkündigt, in welcher er uns trägt und mit uns auf's Allerfreundlichste umgeht, auch mit Niemand nach Verdienst und Würdigkeit verfährt. Denn das ist die Zeit der Gnaden, da mag Jedermann zu dem Thron seiner Gnaden gehen mit aller Zuversicht. So steht … geschrieben … Ps 34,6: Welche auf ihn sehen, werden erleuchtet und ihr Angesicht wird nicht zu schanden. Martin Luther Kirchenpostille, Christfest Sieh also zu, dass du dich nicht täuschen lässt von dem prächtigen Schein der Werke und von dem Betrug der menschlichen Tradtitionen, um der göttlichen Wahrheit und deinem Glauben nicht Unrecht zu tun. Mit dem Glauben an die Sakramente musst du den Anfang machen ohne irgendwelche Werke, wenn du selig werden willst. Dem Glauben aber werden die Werke folgen. Halte nur den Glauben nicht für gering, der das vorzüglichste und höchste aller Werke ist, durch das allein du, selbst wenn du alle anderen Werke entbehren müsstest, gerettet werden wirst. Denn er ist das Werk Gottes mit uns und durch unsere Hilfe; dieses allein wirkt er in uns und ohne uns. Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 261 und 263 Jeder also, der sich als Christ versteht, soll gewiss sein und sich bewusst machen: Wir sind alle gleichermaßen Priester, das heißt, dass wir die gleiche Gewalt haben am Wort und am Sakrament, wobei freilich nicht jedermann einfach von ihr Gebrauch machen darf, sondern nur mit Zustimmung der Gemeinschaft... Was nämlich alle gemeinsam besitzen, das darf keiner für sich allein beanspruchen, bevor er nicht dazu berufen wird... [So] ist das Priestertum im eigentlichen Sinne nichts anderes als der Dienst am Wort - am Wort, sage ich, nicht des Gesetzes, sondern des Evangeliums... und dann wird die heitere Freiheit zu uns zurückkehren, in der wir begreifen, dass wir alle gleich sind an Rechten, welche es auch seien, und, nachdem wir das Joch der Tyrannei abgeschüttelt haben, wissen werden, dass jeder, der ein Christ ist, Christus hat, und wer Christus hat, auch alles hat, was Christi ist, und alles vermag. Martin Luther, Babylonische Gefangenschaft, in: Lateinisch-Deutsche Studienausgabe Bd. 3, Leipzig, 2009, S. 357ff Die Seele lebt von Gottes Wort. Jesus hat es weitergesagt: “Ich bin stärker als der Tod. Ich bin das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben. Ewig. Für immer.” (Joh 11,25) Wenn Christus redet, wird die Seele frei. Bei Matthäus steht (Mt 4,4): “Der Mensch lebt von vielen Dingen. Brot gehört dazu, auf jeden Fall. Aber auch andere Dinge. Zum Beispiel Gottes Wort. Gott selbst spricht es. Die Seele braucht es unbedingt zum Leben.” Gott schenkt ihr [der Seele] mit seinem Wort alles: Sie wird satt. Sie kann sich freuen. Sie findet Frieden. Es wird hell für sie. Sie hört auf Gott. Sie freut sich an der Kunst. Sie ist weise. Sie sagt die Wahrheit. Sie ist frei. Sie bekommt Gutes im Überfluss. Jesus Christus hat das Wort Gottes gepredigt. Deshalb ist er in die Welt gekommen. Auch heute schickt Gott Menschen. Sie sollen von ihm erzählen. Besonders Menschen, die in der Kirche arbeiten. Aber leider haben sie vergessen, wie es geht.” Martin Luther, Von der Freiheit, Auszüge in leichter Sprache, hg. von Christiane Kohler-Weiss, Gütersloh, 2016, S. 15